Arbeitsrecht

Was gilt es aus arbeitsrechtlicher Sicht in Bezug auf das «Coronavirus» COVID-19 zu beachten?

Simon Krauter / 8.3.2020

Lohnfortzahlungspflicht‍

Wird ein Betrieb aufgrund behördlicher Anordnung geschlossen oder weil beispielsweise Personal, Rohstoffe oder dergleichen fehlen, so betrifft dies grundsätzlich die sogenannte «Risikosphäre» des Arbeitgebers. Die Löhne sind aufgrund des Arbeitgeberverzugs im Sinne von Art. 324 OR grundsätzlich weiterhin geschuldet, wobei es ausdrücklich darauf hinzuweisen gilt, dass die Rechtslage über die Rechtsfolgen eines Arbeitsgeberverzugs bei höherer Gewalt wie beispielsweise einer Pandemie nicht restlos geklärt ist. Die Lohnfortzahlungspflicht ist aber jedenfalls nicht von einem Verschulden des Arbeitgebers abhängig.

Gerade in einem Fall höherer Gewalt kann es die Treuepflicht zudem gebieten, dass beispielsweise ein Arbeitnehmer in einem anderen Betrieb eingesetzt oder dass ihm beispielsweise Ersatz- oder Heimarbeit zugewiesen werden kann. Der Arbeitnehmer ist auch gehalten, sich Einsparungen anrechnen zu lassen und gegebenenfalls Ersatzeinkünfte zu erzielen (Art. 324 Abs. 2 OR).‍

Zu prüfen ist auch, ob allenfalls unbezahlte Urlaube gewährt, ein Ferienbezug angeordnet oder die Kompensation von Überstunden vereinbart werden können. Gerade in Fällen höherer Gewalt ist nicht auszuschliessen, dass sich aus der Treuepflicht des Arbeitnehmers auch eine Nachholpflicht für ausgefallene Arbeitsstunden ergeben könnte.

Ist der Mitarbeiter erkrankt bzw. nachweislich am Coronavirus erkrankt, so hat er sich krank zu melden. Es besteht eine Lohnfortzahlungspflicht nach Massgabe von Art. 324a OR. Ist eine Ansteckung nachgewiesen, ohne dass gravierende Symptome vorliegen, so dürfte die Zuweisung von Heimarbeit nicht zulässig sein.

Wird ein Arbeitnehmer behördlicherseits unter Quarantäne gestellt, ohne dass eine Erkrankung nachgewiesen ist, so dürfte kein Lohnanspruch gegenüber dem Arbeitgeber bestehen, da die «Risikosphäre» des Arbeitnehmers betroffen ist. Dasselbe gilt auch, wenn ein Arbeitnehmer beispielsweise aufgrund behördlicher Massnahmen nicht aus seinen Ferien an den Arbeitsplatz zurückkehren kann, weil beispielsweise sein Hotel unter Quarantäne gestellt wurde.

 

Präventive Massnahmen

Arbeitnehmer können grundsätzlich nicht einfach der Arbeit fernbleiben, weil sie Angst vor einer Erkrankung haben. Allenfalls kann mit dem Arbeitgeber Arbeit im Homeoffice vereinbart werden.

Umgekehrt sind die Arbeitgeber gehalten, im Rahmen ihrer Fürsorgepflicht gemäss Art. 328 OR alle zumutbaren Massnahmen zu unternehmen, um die Gesundheit der Arbeitnehmenden zu erhalten und zu schützen. Dazu kann beispielsweise ein Verzicht auf Geschäftsreisen in «Risikogebiete» (entsprechend den Empfehlungen des EDA) gehören. Entsprechenden Weisungen des Arbeitgebers ist Folge zu leisten, solange sie verhältnismässig sind und nicht in Persönlichkeitsrechte eingreifen.

Kaum zulässig dürfte die Weisung sein, Privatreisen zu unterlassen. Reist allerdings ein Arbeitnehmer in ein «Risikogebiet», läuft er Gefahr, aufgrund behördlicher Massnahmen an der Arbeitsleistung gehindert zu werden, wobei dann ein Lohnanspruch entfallen könnte. Schliesslich stellt sich auch die Frage, ob ein Arbeitnehmer seine Erkrankung nicht verschuldet, wenn er bewusst in ein «Risikogebiet» reist.

 

Kurzarbeitsentschädigung

Arbeitgeber können bei der zuständigen Arbeitsmarktbehörde Kurzarbeitsentschädigung anmelden bzw. beantragen. Das Coronavirus gehört nicht zum Betriebsrisiko. Allerdings muss nachgewiesen werden, dass ein Arbeitsausfall damit im Zusammenhang steht.

 

Reisen

Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass der Arbeitgeber nicht interessiert ist, dass sich Arbeitnehmer auf Geschäftsreise anstecken. Allenfalls gebietet es die Fürsorgepflicht, Reisen in «Risikogebiete» zu unterbinden. Findet eine solche Geschäftsreise trotzdem statt und steckt sich ein Arbeitnehmer an, so dürfte eine Lohnfortzahlungspflicht nicht nur bei Krankheit, sondern auch im Falle behördlicher Massnahmen wie einer Quarantäne bestehen.

Fraglich ist, ob Arbeitnehmer sich weigern können, Geschäftsreisen in Risikogebiete zu unternehmen. Auf jeden Fall dürfte der entsprechende Arbeitgeber für die Folgen haftpflichtig sein. Zudem ist davon auszugehen, dass Risikopersonen sich einer entsprechenden Weisung eher widersetzen dürfen, da die Beachtung der Weisung wohl nicht zumutbar wäre.

Bei Privatreisen riskiert der Arbeitnehmer behördliche Massnahmen, welche ihn an der Arbeitsleistung hindern könnten. Dadurch könnte ein Lohnanspruch entfallen. Entfallen könnte der Lohnanspruch allenfalls auch, wenn bewusst, d.h. verschuldet in ein Risikogebiet gereist wird.

 

Einzelfallbetrachtung und Spezialfälle

Ganz grundsätzlich gilt es für Arbeitgeber und Arbeitnehmer, behördliche Weisungen einzuhalten. Probleme bzw. Differenzen müssen im Einzelfall geprüft werden.

Gerade für verschiedene Branchen muss der Einzelfall geprüft werden. So dürfte beispielsweise beim Personalverleih die Stilllegung eines Einsatzbetriebes zum Betriebsrisiko des Arbeitgebers bzw. Verleihers gehören.

Im Gesundheitsbereich dürften zudem erhöhte Anforderungen an die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers bestehen. Allenfalls müssen Arbeitnehmer bei einem Ansteckungsverdacht von der Arbeit ferngehalten werden, wobei dann der Lohnanspruch des Arbeitnehmers kaum entfallen dürfte.

 

(Stand: 8. März 2020)

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Simon Krauter

lic. iur., Rechtsanwalt

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