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Hundebiss – Zuständigkeiten und Verfahren im Kanton Thurgau

Marcel Strehler / 21.6.2019

Bei einem Hundebiss-Vorfall stellen sich häufig Fragen zum Ablauf des Verfahrens sowie zu den Zuständigkeiten der involvierten Behörden. Was wird im Strafverfahren behandelt? Soll ein Strafantrag gestellt werden? Was passiert mit dem Hund? Wer kommt für den mir entstandenen Schaden auf?

1. Gesetzliche Grundlagen

1.1 Straftatbestände

Wird eine Person durch einen Hund verletzt, liegen in der Regel folgende Straftatbestände vor:

 

Strafgesetzbuch

  • Fahrlässige einfache Körperverletzung gemäss Art. 123 i.V.m. Art. 125 StGB (zu beachten gilt es hierbei die Strafantragsfrist von 3 Monaten gemäss Art. 31 StGB)
  • Fahrlässige schwere Körperverletzung gemäss Art.122 i.V.m. Art. 125 StGB (als Offizialdelikt wird die Straftat von der Strafverfolgungsbehörde von Amtes wegen verfolgt)
  • (Eventual-)vorsätzliche schwere oder einfache Körperverletzung gemäss Art. 122 oder Art. 123 StGB, sofern der Hundehalter die Verletzung des Opfers wollte oder in Kauf nahm

 

Gesetz über das Halten von Hunden des Kantons Thurgau (Hundegesetz)

 

  • Verstoss gegen die Vorschriften des Hundegesetzes oder der dazugehörigen Verordnung gemäss § 17 Hundegesetz

 

Nach § 1 Abs. 1 Hundegesetz sind Hunde so zu halten, dass Mensch und Tier nicht gefährdet oder belästigt werden. Gemäss § 2 Hundegesetz haben Hundehalter für angemessene Überwachung, sachgemässe Pflege und ordentliche Unterbringung der Hunde zu sorgen. Bei einem Hundebiss-Vorfall liegt somit in der Regel ein Verstoss gegen diese Vorschriften vor, was gemäss § 17 Hundegesetz mit Busse von Fr. 50 bis 5’000.00 bestraft werden kann.

 

1.2 Meldepflicht

 

Tierärzte, Ärzte, Polizeiorgane, Zollorgane, Strafuntersuchungsbehörden, Gerichte, Tierheime und Hundeausbildende sind verpflichtet, Vorfälle, von welchen sie im Rahmen ihrer Tätigkeit Kenntnis erlangen und bei denen ein Hund Menschen oder Tiere erheblich verletzt hat oder Anzeichen von Verhaltensstörungen, insbesondere eine erhöhte Aggressionsbereitschaft zeigt, der zuständigen kantonalen Stelle (d.h. dem Veterinäramt des Kantons Thurgau) zu melden (§ 7b Hundegesetz).

 

1.3 Haftpflichtversicherung und Hundeerziehungskurs

Wer einen Hund hält, muss eine Haftpflichtversicherung mit einer Deckungssumme von mindestens drei Millionen Franken abgeschlossen haben (§ 1a Hundegesetz). Die durch einen Hundebiss verletzte Person kann sich somit an die Haftpflichtversicherung des Hundehalters wenden, welche ggf. Schadenersatz- und Genugtuungsleistungen erbringen muss.

 

Wer einen Hund mit einem Erwachsenengewicht von mindestens 15 Kilogramm hält, muss innerhalb eines Jahres nach Anschaffung des Tieres einen Kurs über eine anerkannte praktische Hundeerziehung besuchen (§ 1b Hundegesetz).

 

2. Involvierte Behörden

Bei einem Hundebiss-Vorfall sind folgende Behörden involviert:

  • Staatsanwaltschaft (sofern eine Anzeige erstattet bzw. ein Strafantrag erstattet wird)
  • Veterinäramt
  • Gemeinde

 

3. Zuständigkeiten der involvierten Behörden

3.1 Staatsanwaltschaft

Die Staatsanwaltschaft führt das Strafverfahren gegen den Hundehalter und prüft, ob im Zusammenhang mit einem Hundebiss-Vorfall dem Hundehalter ein strafbares Fehlverhalten vorgeworfen werden kann (wie z.B. eine einfache oder schwere – in der Regel fahrlässige – Körperverletzung oder eine Widerhandlung gegen das Hundegesetz). Sind die Strafbarkeitsvoraussetzungen erfüllt, erlässt die Staatsanwaltschaft gegen den Hundehalter einen Strafbefehl oder erhebt Anklage beim zuständigen Gericht. Im Strafverfahren können die Zivilforderungen des Opfers adhäsionsweise geltend gemacht werden.

 

3.2 Veterinäramt

Aufgrund der im Hundegesetz in § 7b statuierten Meldepflicht sind Vorfälle, von denen Tierärzte, Ärzte, Polizeiorgane, Zollorgane, Strafuntersuchungsbehörden, Gerichte, Tierheime und Hundeausbildende im Rahmen ihrer Tätigkeit Kenntnis erlangen und bei denen ein Hund Menschen oder Tiere erheblich verletzt hat oder Anzeichen von Verhaltensstörungen, insbesondere eine erhöhte Aggressionsbereitschaft zeigt, der zuständigen kantonalen Stelle, d.h. dem Veterinäramt des Kantons Thurgau, zu melden.

 

Die Meldung wird daraufhin vom Veterinäramt erfasst und an die zuständige Gemeinde weitergeleitet. Weitergehende Massnahmen im Zusammenhang mit der Hundehaltung werden vom Veterinäramt dabei nicht getroffen, sofern der Vorfall nicht in einem Zusammenhang mit einem sogenannten Listenhund steht. Die Zuständigkeit hierfür liegt bei der Gemeinde.

 

Steht der Hundebiss-Vorfall in einem Zusammenhang mit einem sogenannten Listenhund, d.h. einem potentiell gefährlichen Hund oder einen Hund aus einer Kreuzung mit einem potentiell gefährlichen Hund (§ 3a Hundegesetz), trifft das Veterinäramt weitere Abklärungen, zumal das Halten oder Ausführen eines Listenhundes einer kantonalen Bewilligung bedarf und die Zuständigkeit hierfür beim Veterinäramt liegt.

 

Das Veterinäramt erfasst die Meldungen in einer Datenbank, welche vom Bund für das Erheben von Statistiken genutzt werden kann.

 

3.3 Gemeinde

Die Zuständigkeit für den Erlass von Massnahmen im Zusammenhang mit der Hundehaltung liegt gemäss § 7 Hundegesetz bei der Gemeinde. Diese Bestimmung lautet wie folgt:

 

Abs. 1

 Wenn durch die Hundehaltung Mensch oder Tier verletzt, gefährdet oder ernsthaft belästigt werden, kann die Gemeinde entsprechend dem Ausmass der Mangelhaftigkeit der Hundehaltung Massnahmen über Erziehung,Beaufsichtigung, Pflege oder Unterbringung anordnen.

 

Abs. 2

 Sie kann insbesondere folgende Massnahmen einzeln oder kumulativ anordnen:

1.   Unterstellung des Hundes unter temporäre Beobachtung;

2.   Durchführung einer Prüfung des Hundes auf Verhaltensstörungen;

3.   Verpflichtung des Halters zum Besuch von Kursen mit oder ohne Hund;

4.   Bezeichnung der Personen, die den Hund ausführen dürfen;

5.   Verpflichtung, im öffentlich zugänglichen Raum dem Hund einen Maulkorb anzulegen oder ihn an der Leine zu führen;

6.   Verbot, den Hund zum Schutzdienst auszubilden oder zu verwenden;

7.   vorübergehendes Verbringen des Hundes in ein Tierheim oder in eine andere geeignete Tierhaltung;

8.   Entzug des Hundes zur Neuplatzierung;

9.   Kastration oder Sterilisation des Hundes;

10.   Verhängung eines generellen befristeten oder unbefristeten Hundehaltungsverbotes gegen eine Person;

11.  Beschränkung der Anzahl gehaltener Hunde;

12.  Tötung des Hundes.

 

Abs. 3

 Besteht ein dringender und begründeter Verdacht, dass von einer Hundehaltung eine ernsthafte Gefahr für Mensch oder Tier ausgeht, kann der Hund zur Wahrung der öffentlichen Sicherheit bis zum Vorliegen eines rechtskräftigen Entscheides über diese Hundehaltung vorsorglich beschlagnahmt und auf Kosten des Halters an einem sicheren Ort in Obhut gegeben werden.

 

 

Die Gemeinde ist im Zusammenhang mit dem Erlass von Massnahmen nicht an den Ausgang des Strafverfahrens gebunden. Der Erlass allfälliger Massnahmen durch die Gemeinde erfolgt unabhängig vom Strafverfahren. Gegebenenfalls liefern die Erhebungen im Strafverfahren (wie z.B. Befragungen des Opfers, des Beschuldigten oder von Zeugen) jedoch Anhaltspunkte für die Beurteilung der Frage des Fehlverhaltens des Hundehalters.

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Marcel Strehler

MLaw, Rechtsanwalt

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