Haftpflicht- und Versicherungsrecht

Unfall oder Krankheit – Welche Versicherung ist zuständig?

Marcel Strehler / 4.2.2019

Ein Zusammenstoss beim Sport oder ein Fehltritt auf der Treppe. Dafür ist die Unfallversicherung da, denken viele. In der Praxis stellen sich bei der Abgrenzung zwischen einem Unfall und einer Krankheit jedoch oftmals heikle Fragen, von deren Beantwortung abhängt, in welchem Umfang die finanziellen Folgen eines Ereignisses gedeckt sind.

Bei der Unfallversicherung sind alle in der Schweiz tätigen Arbeitnehmenden gegen Berufsunfälle, Berufskrankheiten und – ab einer wöchentlichen Arbeitszeit bei einem Arbeitgeber von mindestens acht Stunden – auch gegen Nichtberufsunfälle versichert. Mit ihren Leistungen hilft die Unfallversicherung, den Schaden wiedergutzumachen, der infolge eines Unfalles bezüglich Gesundheit und Erwerbstätigkeit entsteht. Diese Leistungen können bestehen in der Übernahme der Heilungskosten, der Ausrichtung eines Taggeldes oder einer Rente, der Ausrichtung einer Integritäts- oder Hilflosenentschädigung.

Die Krankenversicherung übernimmt die Leistungen, die der Diagnose oder Behandlung einer Krankheit dienen, wobei die Versicherten die Kosten für die Franchise und den Selbstbehalt zu tragen haben. Eine Krankentaggeldversicherung ist nicht obligatorisch. Die Krankenversicherung ist dann zuständig, wenn die Beeinträchtigung nicht als Unfall anerkannt wird.

Für den Versicherten kann die Abgrenzung zwischen Krankheit und Unfall von enormer Bedeutung sein, da er bei Krankheit finanziell schlechter dasteht. Wird die körperliche Beeinträchtigung als Unfall anerkannt, werden die Arzt- und Spitalkosten übernommen. Der bei Krankenkassen übliche Selbstbehalt und die Franchise entfallen. Noch grösser können die finanziellen Vorteile bei dauerhaften Schäden sein, da gegenüber der Unfallversicherung gegebenenfalls ein Anspruch auf ein Taggeld oder eine Rente bestehen kann.

Gesetzlich wird ein Unfall definiert als plötzliche, nicht beabsichtigte schädigende Einwirkung eines ungewöhnlichen äusseren Faktors auf den menschlichen Körper, die eine Beeinträchtigung der körperlichen, geistigen oder psychischen Gesundheit oder den Tod zur Folge hat.

Aufgrund der gesetzlichen Definition eines Unfalls kommt es häufig zu spitzfindigen Unterscheidungen, was als Unfall und was als Krankheit zu gelten habe, insbesondere bei der Frage, ob ein Ereignis plötzlich und unvorhersehbar eingetreten ist. So wird beispielsweise bei Ereignissen im Reitsport unterschieden zwischen dem „stolpernden“ und dem „einknickenden“ Pferd; lediglich im zweiten Fall wird das Merkmal des ungewöhnlichen Faktors und damit das Vorliegen eines Unfalls bejaht. Aufgrund dieser Feinheiten empfiehlt es sich, den Unfallhergang gegenüber der Unfallversicherung möglichst genau zu schildern, da häufig vermeintlich nebensächliche, tatsächlich aber entscheidende Details vergessen gehen. Das Unfallprotokoll nach einem ablehnenden Entscheid nachzubessern, ist in der Regel schwierig, da bei widersprüchlichen Angaben die erste Schilderung des Vorfalls mehr Gewicht hat.

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Marcel Strehler

MLaw, Rechtsanwalt

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